Optimierung eines zukünftigen Standard-in-vitro-Modells der humanen Blut-Hirn-Schranke
PD Dipl.-Ing. Dr. Winfried Neuhaus & Dr. Marco Metzger AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Wien & Lehrstuhl Tissue Engineering und Regenerative Medizin (TERM), Universitätsklinik Würzburg
07/2016-12/2017
Momentan weisen alle in-vitro-Modelle der humanen Blut-Hirn-Schranke, die auf Primärzellen aus dem Gehirn oder auf immortalisierten Zellen basieren, unzureichende Barriereeigenschaften auf.
Die Blut-Hirn-Schranke reguliert den Stofftransport zwischen dem Blutkreislauf und dem Zentralnervensystem (ZNS). Sie dient als aktives, bidirektionales Filtersystem, das für die Homöostase im ZNS verantwortlich ist. Zudem trägt die Blut-Hirn-Schranke zur Abwehr von Viren und Bakterien bei. Bei vielen Krankheiten (Schlaganfall, Hirntumore, Alzheimer, Epilepsie, Multiple Sklerose, ...) liegt die Blut-Hirn-Schranke verändert vor und ihre Stabilisierung kann zu milderen Krankheitsverläufen beitragen. Zusätzlich spielt sie eine sehr große Rolle für die Arzneistoffforschung und -entwicklung. Viele Arzneistoffe können die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren, weil sie als fremdartig erkannt werden, obwohl sie zur Therapie ins ZNS gelangen sollten. Andererseits sollen viele Arzneistoffe, die in der Peripherie wirken, nicht ins ZNS gelangen, um unerwünschte Nebeneffekte zu verhindern.
Momentan weisen alle In-vitro-Modelle der humanen Blut-Hirn-Schranke, die auf primären oder immortalisierten Gehirnendothelzellen basieren, unzureichende Barriereeigenschaften auf. Zellen der neurovaskulären Einheiten (NVE) wie Astrozyten, Perizyten und neurale Stammzellen können Gehirnendothelzellschichten so beeinflussen, dass sie dem physiologischen Zustand im Körper immer ähnlicher werden. Die Scherkräfte, die durch den Fluss des viskosen Blutes auf die Endothelzellen ausgeübt werden, können zusätzlich Blut-Hirn-Schranken-Eigenschaften induzieren. Als Alternative zu humanen, primären oder immortalisierten Gehirnendothelzellen wurden in letzter Zeit Modelle vorgestellt, die auf unterschiedlichsten Typen von Stammzellen beruhen.
Das Ziel dieses Projektes war, Modelle zu optimieren, die auf einer humanen induziert pluripotenten Stammzelllinie (hiPS) basieren und die Einflüsse der Mikroumgebung mitberücksichtigen. Im Rahmen der Arbeiten wurden erfolgreich Protokolle etabliert, um aus den hiPS Hirnendothelzellen (HE), Astrozyten (AST), Perizyten (PER) und neurale Stammzellen (NS) zu generieren. Mit Hilfe dieser Zellen wurden statische Transwellmodelle und dynamische Flussreaktoren entwickelt und mit Modellen auf Basis von immortalisierten Hirnendothelzellen verglichen (siehe Abbildung). Die umfassende Charakterisierung der Barriereeigenschaften erfolgte sowohl auf funktioneller als auch molekularer Ebene (s. Appelt-Menzel et al., Stem Cell Reports, 2017). Es wurde gezeigt, dass Zellen der NVE einerseits die Barriereeigenschaften der Modelle verbesserten und andererseits essentiell für den Barrierezusammenbruch in Schlaganfallsmodellen waren. Die etablierten dynamischen Flussreaktoren konnten für chronische Langzeitversuche über mehrere Wochen hinweg eingesetzt werden. Die Anwendungsmöglichkeiten der stammzellbasierten Blut-Hirn-Schranken-Modelle sind sowohl in der Forschung als auch in der Wirkstoffentwicklung sehr weitreichend und haben das Potential, entsprechend den 3R-Prinzipien (Refine/Reduce/Replace), den Einsatz von Tiermodellen und von Zellen, die aus Tieren isoliert werden müssen, deutlich zu reduzieren oder in Zukunft zu ersetzen.
Publikationen:
W. Neuhaus (2017) “Human induced pluripotent stem cell (hiPSC) based in vitro models of the blood-brain barrier: The future standard ?” Neural Regeneration Research 12(10):1607-1609.
Masterarbeit Anna Sophia Wilhelm (2017) „Optimization of a human blood-brain barrier in vitro model - Investigation of the influence of dynamic flow-culture conditions and implementation of non-invasive impedance spectroscopy“, Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Masterarbeit Elsa Görsch (2017) „Optimization of Human Blood-Brain Barrier Models“, Julius- Maximilians-Universität Würzburg.
A. Appelt-Menzel, A. Cubukova, K. Gunther, F. Edenhofer, J. Piontek, G. Krause, T. Stuber, H. Walles, W. Neuhaus and M. Metzger (2017). "Establishment of a Human Blood-Brain Barrier Co-culture Model Mimicking the Neurovascular Unit Using Induced Pluri- and Multipotent Stem Cells." Stem Cell Reports 8(4): 894-906.
A. Appelt-Menzel, A. Cubukova and M. Metzger (2018). “Establishment of a human bloodbrain barrier co-culture model mimicking the neurovascular unit using induced pluripotent stem cells.” Current Protocols in Stem Cell Biology, 47, e62.
A. Ramme, L. Koenig, C. Schwenk, C. Magauer, D. Faust, A. Lorenz, A. Krebs, C. Drewell, K. Schirrmann, A. Vladetic, G. Lin, S. Pabinger, W. Neuhaus, F. Bois, R. Lauster, U. Marx, E. Dehne (2018) „Towards an autologous iPSC-derived patient-on-a-chip"; bioRxiv, 1, S. 1-26.
A. Ramme, L. Koenig, T. Hasenberg, C. Schwenk, C. Magauer, D. Faust, A. Lorenz, A. Krebs, C. Drewell, K. Schirrmann, A. Vladetic, G. Lin, S. Pabinger, W. Neuhaus, F. Bois, R. Lauser, U. Marx, E. Dehne (2019): "Autologous iPSC-derived four-organ-chip"; Future Science OA, 8, 5; S. 1 - 12.
Masterarbeit Nadja Pracser (2019) “The role of the microenvironment in a human blood-brain barrier in vitro model of ischemia", Universität Wien.
A Gerhartl, N Pracser, A Vladetic, S Hendrikx, HP Friedl & W Neuhaus (2020). The pivotal role of micro-environmental cells in a human blood–brain barrier in vitro model of cerebral ischemia: functional and transcriptomic analysis. Fluids Barriers CNS 17, 19.
A. Appelt-Menzel, S. Oerter, S. Mathew, U. Haferkamp, C. Hartmann, M. Jung, W. Neuhaus, O. Pless (2020). Human iPSC-Derived Blood-Brain Barrier Models: Valuable Tools for Preclinical Drug Discovery and Development? Curr Protoc Stem Cell Biol; 55(1):e122. doi: 10.1002/cpsc.122.
Ausführende Institution
AIT Austrian Institute of Technology GmbH Department Health & Environment, Molecular Diagnostics Wien, Österreich
Kooperationspartner
Lehrstuhl Tissue Engineering und Regenerative Medizin (TERM) Universitätsklinik Würzburg, Deutschland
Studium der Lebensmittel- und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur, Wien. Dissertation zur „Entwicklung und Validierung von Blut-Hirn-Schranken in-vitro-Modellen“. Universitätsassistent und Lecturer an der FH Biotechnologie, Wien, anschließend Forschungsgruppenleiter bei PharmaCon. 2010-2016 Forschung am Uniklinikum Würzburg, zeitgleich auch am Department für Pharmazeutische Chemie und am Institut für medizinische Genetik in Wien. Seit 2016 Arbeitsgruppenleiter am AIT.
Dr. Marco Metzger
Studium der Biotechnologie an der Hochschule Mannheim. Ab 2002 Promotion an der Uni Tübingen zum „Einfluss des Repulsiven Guidance Moleküls (RGM) auf die Proliferation und Differenzierung intestinaler Stammzellen“. Post-Doc am Institute of Child Health des University College London (UK). 2009-2011 Aufbau einer BMBF-Nachwuchsgruppe am Translationszentrum für Regenerative Medizin auf, danach Gruppenleiter in der Projektgruppe Onkologie des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) sowie des Lehrstuhls für Tissue Engineering & Regenerative Medizin (TERM) am Universitätsklinikum Würzburg. Seit 2014 Leitung der Abteilung ‚Implantate‘ am Translationszentrum Würzburg.
Mitarbeiter
Anna Gerhartl, MSc.
Bachelorstudium in Oxford, Masterstudium Medical and Pharmaceutical Biotechnology an der FH Krems, Masterarbeit „Patient-derived iPSCs as a Tool for Modeling Cortical Migration Defects”. Doktorandin bei Winfried Neuhaus.
Dipl.-Ing. (FH) Antje Appelt-Menzel
Ingenieursstudium der Pharma-Biotechnologie in Jena. Diplomarbeit zur „Optimierung der Isolations- und Kultivierungsbedingungen von humanen Keratinozyten und Fibroblasten und Aufbau eines Hautäquivalents für eine automatisierte Herstellung“ am Fraunhofer IGB in Stuttgart. 2009-2012 Ingenieurin am Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin des Universitätsklinikums Würzburg. Dissertation zur „Etablierung und Qualifizierung eines humanen Blut-Hirn Schranken Modells unter Verwendung von induziert pluripotenten und multipotenten Stammzellen“ an. Post-doc bei Dr. Marco Metzger.