P-071

Gehirn-Organoid-Tumor Hybride – ein in vitro Modell zur Untersuchung menschlicher Hirntumoren und zur Medikamententestung

Prof. Philipp Koch & Prof. Frank Winkler,
Hector Institute for Translational Brain Research, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Universitätsklinikum Heidelberg, Deutsches Krebsforschungszentrum,
Mannheim & Heidelberg

07/2020-12/2021 

Menschliche Hirntumore lassen sich nur schlecht in Zellkultur modulieren. Wir stellen ein innovatives Alternativsystem vor, bei dem die Hirntumore statt in Versuchstieren in Organoiden (3D-Gewebestrukturen aus Stammzellen) kultiviert werden.

Das Glioblastom (GB) gehört zu den häufigsten und zugleich aggressivsten aller menschlichen Hirntumoren. Die durchschnittliche Überlebenszeit nach Diagnosestellung konnte in den letzten 20 Jahren trotz modernster Behandlungskonzepte nur wenig verbessert werden und liegt in bevölkerungsbasierten Kohorten nach wie vor bei etwa einem Jahr. Glioblastome sind nur sehr eingeschränkt in Zellkulturmodellen untersuchbar, da in vitro kultivierte Tumorzelllinien nur unzureichend die biologischen Eigenschaften der Tumore abbilden. Hierfür scheint die spezielle in vivo Umgebung des Gehirns (Zellen und extrazelluläre Matrix, idealerweise die des Menschen) notwendig zu sein. So konnten wir in der Vergangenheit nachweisen, dass GB Zellen im Gehirn funktionelle Netzwerke ausbilden, welche über Zell-Zell Verbindungen kommunizieren – ein biologisches Verhalten, welches man in vitro so mit Standardverfahren nicht findet. Entsprechend werden bei der Erforschung von Hirntumoren und insbesondere Glioblastomen sehr hohe Versuchstierzahlen eingesetzt. Da die Tumoren sich aggressiv im Gehirn der Tiere ausbreiten, führen solche Versuche zu einer vergleichbar starken Belastung der Versuchstiere.

Wir haben ein in vitro Zellkultur-Modell etabliert, welches Tierversuche in der Hirntumorforschung ersetzen soll. Hierzu werden GB-Zellen statt in Tieren in dreidimensionalen Gehirn-Organoiden (sogenannten ‚Mini-Gehirnen‘) kultiviert, welche aus induziert pluripotenten Stammzellen hergestellt werden. Diese Gehirn-Organoide beinhalten alle wichtigen Zellen, die sich auch im menschlichen Gehirn finden, und werden als vollständig humane Gewebemodelle (Inkubatoren) für die Hirntumoren eingesetzt. Wir konnten zeigen, dass die GB-Zellen in diesem Hybrid-Modell alle wichtigen neurobiologischen Eigenschaften ausprägen, die man sonst nur im Tier findet, und dass die Tumorzellen auch eine vergleichbare Heterogenität wie im lebenden Organismus annehmen. Unter Zuhilfenahme das Modells konnten wir neue GB-Schlüsselmechanismen validieren und zeigen, dass das Modell geeignet ist, um Medikamente und innovative Therapieoptionen zu testen.

Abb. 1: Das Gehirn-Organoid-Tumor-Hybrid-Modell.
Tumorzellen wachsen in die Organoide ein und bilden Netzwerke innerhalb der Organoide.

 

 

Publikationen:

Hausmann D, Hoffmann DC, Venkataramani V, Jung E, Horschitz S, Tetzlaff SK, Jabali A, Hai L, Kessler T, Azoŕin DD, Weil S, Kourtesakis A, Sievers P, Habel A, Breckwoldt MO, Karreman MA, Ratliff M, Messmer JM, Yang Y, Reyhan E, Wendler S, Löb C, Mayer C, Figarella K, Osswald M, Solecki G, Sahm F, Garaschuk O, Kuner T, Koch P, Schlesner M, Wick W, Winkler F. Autonomous rhythmic activity in glioma networks drives brain tumour growth. Nature. 2023 Jan;613(7942):179-186. doi: 10.1038/s41586-022-05520-4. Epub 2022 Dec 14. PMID: 36517594.

Ausführende Institutionen

Prof. Dr. Philipp Koch
Hector Institute for Translational Brain Research,
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
J5, 68159 Mannheim

Prof. Dr. Frank Winkler
Universitätsklinikum Heidelberg,
Deutsches Krebsforschungszentrum,
Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg

Förderlaufzeit

07/2020 - 12/2021

 Zurück zur Projektliste