P-067

Training der Blutstillung in Endoskopie und Chirurgie unter Verzicht auf Tiere und Tierorgane

Dr. Benedikt Mothes,
Universität Tübingen

01/2019-03/2020

Der Erfolg der Blutstillung hängt im Notfall entscheidend von der Kompetenz der Endoskopiker ab. Ein suboptimales Üben war bisher nur an lebenden Tieren möglich, jetzt kann mit neuartigen Ansätzen ein effektives Training am Modell realisiert werden.

Gastrointestinale Blutungen stellen einen akuten medizinischen Notfall mit potentiell tödlichem Ausgang dar. In Diagnostik und Therapie gastrointestinaler Blutungen nimmt die flexible Endoskopie eine zentrale Rolle ein, da eine unmittelbare minimal-invasive Therapie durch unterschiedliche Methoden der endoskopischen Blutstillung erlaubt. Man unterscheidet dabei mechanische (inklusive Injektionstherapie) und thermische Verfahren.

Diese Therapiestrategien sind sehr effektiv, erfordern aber in der Akutsituation nicht nur eingehende Kenntnisse bezüglich der eingesetzten Verfahren, sondern auch intensives Training, um eine ausreichende Sicherheit bei der Durchführung zu gewährleisten. Der Erfolg ist ganz entscheidend von der Expertise des Endoskopeurs und der Assistenzkraft abhängig. Diese ist nur durch adäquates Training - auch im Umgang mit dem notwendigen Instrumentarium - zu erreichen.

Ein realitätsnahes Training für Notfallsituationen ist bislang kaum möglich. Die einzige entsprechende Trainingssituation ist die Versorgung von Patienten, was – obwohl der Not gehorchend täglich weltweit praktiziert – schon a priori als unethisch beurteilt werden muss. Training am Patienten im Rahmen der Ausbildung ist eigentlich schon wegen der erheblich beeinträchtigten Patientensicherheit durch Unerfahrene und wegen der fehlenden Planbarkeit einer solchen Notfallsituation indiskutabel.

Damit bleibt als Trainingsalternative die Übung am lebenden Tier. Neben ethischen Problemen, hohe Kosten und sehr hohem Aufwand (separate Räume und Endoskope nötig) birgt dieses Training aber nur eine mäßige Effizienz. Schon die anatomischen Verhältnisse von Tieren (vor allem die des meist verwendeten Schweines) unterscheiden sich ganz erheblich vom Menschen, sodass der Trainingseffekt sehr eingeschränkt ist.

Grundsätzlich ist auch die Verwendung von sogenannten Biosimulations-Modellen, also präparierten Tierorganen wegen gravierender Einschränkungen bzgl. divergierender Anatomie, fehlender Pathologien und hygienischer Bedenken (u.a. Zoonosen) für die Simulation von Notfallsituationen wenig geeignet. Auch alle weiteren Alternativen, die für das Training der endoskopischen Blutungstherapie aktuell verfügbar sind - inkl. Plastikmodelle oder Virtual-reality-Simulatoren - sind aufgrund deutlicher Nachteile (fehlende Haptik, fehlende Mikromanipulierbarkeit, fehlender Gewebewiderstand, häufig unrealistische Optik und Haptik)  für ein effektives Training ungeeignet.
Zusammenfassend ist die Entwicklung von alternativen Trainingsmethoden und -modellen für die Notfallsituation gastrointestinaler Blutung dringend erforderlich, um das aus vielerlei Gründen ungeeignete Training an Patienten oder Tieren zu vermeiden und um en Tierverbrauch zu Ausbildungszwecken zu verringern.

Zusätzlich trägt ein realitätsechtes Trainingssystem, welches im direkten klinischen Umfeld verwendet werden kann, dazu bei, die Patientensicherheit zu erhöhen. Mit der Entwicklung des "Tübinger Trainingssystems für die interventionelle, flexible Endoskopie" wurde bereits ein realitätsgerechtes Forschungs-, Lern- und Übungsumfeld unter konsequenter Vermeidung der Nutzung von Tieren geschaffen. Bislang steht jedoch noch kein Modul zur adäquaten Blutungssimulation zur Verfügung.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens soll das vorhandene Trainingssystem modular erweitert werden, um die gastrointestinale Blutung im gesamten Spektrum (Ulkus-, Tumorblutung, Blutung nach Polypenabtragung, Varizenblutung etc.) realitätsgerecht abzubilden. Eine solche Weiterentwicklung ist durch neuartige Materialien (z.B. spezielle, zum Teil biologisch integrierbar Textilien) und neue Methoden und Materialien im Modellbau (v.a. 3D-Druck), die derzeit den Phantombau revolutionieren, möglich geworden. Geplant ist die Entwicklung durchbluteter, tiermaterialfreier Organe und Organteile mit entsprechenden pathologischen Strukturen und die Etablierung eines didaktisch fundierten Trainings-Curriculums im Rahmen eines Trainings-Systems. Eine Integration der neu zu entwickelnden Module zur Blutungssimulation in vorhandene Tübinger Phantome ist vorgesehen.

Ausführende Institution

Experimentelle Chirurgische Endoskopie
im Zentrum für Medizinische Forschung
Waldhörnlestraße 22
72072 Tübingen

Förderlaufzeit

01/2019 - 03/2020

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